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Artikel

Hypnosetherapie

Unheimlich wirksam

Kulturen in aller Welt kennen Hypnose als Therapie, teils seit Jahrtausenden. In der modernen westlichen Medizin kommt die medizinische Hypnose wieder vermehrt zum Einsatz. Die Wirksamkeit in bestimmten Bereichen gilt als erwiesen. Allerdings haben Hypnose und die Trance, zu der sie führt, längst nicht alle Geheimnisse preisgegeben. Ein Exkurs in das Forschungsgebiet der inneren Welt, die sie erschließt, – und ein Besuch bei der Wiesbadener Hypnosetherapeutin Sabine Kaltwasser. Sie beschreibt, was ihre Patienten und Klienten erwartet.

ca. 8 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Foto: unsplash

Image by MK Hamilton

„Therapeutische Trance ist fokussierte Aufmerksamkeit, die auf bestmögliche Weise so gesteuert wird, dass der Patient seine Ziele erreicht​​​​​​.“

s-kaltwasser Hypnose

Foto: SK-Mental

Sabine Kaltwasser hat viele Jahre als Leiterin von Operationsabteilungen und als Pflegedirektorin im Krankenhaus gearbeitet. Neben einer Ausbildung zur Krankenschwester und dem Studium zur Pflegemanagerin, hat sie zahlreiche Zusatzausbildungen und Qualifikationen im Bereich der Psychologie erworben. Seit 2000 ist sie als Trainerin und Consultant für Einrichtungen des Gesundheitswesens selbstständig. 2010 eröffnete sie SK-Mental, ihre Praxis für Psychotherapie, Coaching und Hypnosetherapie in Wiesbaden. Hypnose zählt zu den Schwerpunktbehandlungen. Kontakt und weitere Informationen.

Der Weg zur Besserung kann über eine Blumenwiese führen: Es ist ein herrlicher Sommertag. Sie wandern auf einem Feldweg, der ihnen vertraut ist. Sie spüren den weichen, warmen Boden unter den Füßen. Ihr Blick schweift über ein Meer von Gräsern und Blumen. Ein lauer Wind weht, er duftet frisch und würzig. „Oft sind es Bilder und schöne Erinnerungen, mit denen ich Menschen in Trance versetze“, sagt Sabine Kaltwasser. Medizinische Hypnosetherapie und Sporthypnose sind Schwerpunktbehandlungen, die sie in ihrer 2010 in Wiesbaden eröffneten Praxis für Psychotherapie, Coaching und Hypnosetherapie einsetzt.

Ihre Patienten und Klienten leiden unter Ängsten, depressiven Verstimmungen und Depressionen. Sie behandelt Sportler und Manager, die ihre Leistung verbessern wollen. Menschen in akuten und chronischen Stresssituationen kommen ebenso zu ihr wie Raucher, die aufhören wollen. Sie hilft Menschen abzunehmen, Tics, einen Tinnitus oder chronische Schmerzen loszuwerden oder nicht mehr als belastend wahrzunehmen. Die Einsatzgebiete der medizinischen Hypnosetherapie sind vielfältig: „Einige meiner Klienten haben vorher vergeblich schulmedizinische Therapien versucht. Hypnose ist für viele ein weiterer Versuch“, sagt sie.

Dass er oft zu schnellen Erfolgen führt, belegen zahlreiche Studien. In einigen Ländern, darunter Österreich und Frankreich, zählt medizinische Hypnose seit Jahren zu den Kassenleistungen. Hierzulande übernehmen inzwischen private Kassen in vielen Fällen die Kosten für eine Behandlung. „Nachzufragen lohnt sich“, so Sabine Kaltwassers Erfahrung.

Medizinische Hypnose hat sie aus Neugierde erlernt: „Ich habe damals als Interimsmanagement eine OP-Leitung übernommen und mich spontan zu einem dreitägigen Einführungskurs angemeldet.“ Wie viele Menschen, haben sie der Zustand der Trance und die Möglichkeiten, sie gezielt herbeizuführen und als Therapie zu nutzen fasziniert.

Wir alle erleben regelmäßig eine leichte Trance, den Zustand, in den eine Hypnose versetzt. Es ist die Zeitspanne vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen, in denen wir nicht scharf zwischen Wirklichkeit und Traum unterscheiden. Auch der sogenannte Flow ist eine Art Trance:
 

Vertieft in Arbeit oder einen Bewegungsablauf, spüren wir keine Erschöpfung, keinen Durst und Hunger. Wir überhören die Frage des Partners, der neben uns vergeblich auf eine Antwort wartet. Bis er uns leicht berührt oder die Stimme hebt – und uns zurückholt. Woher?

Die vereinfachte Kurzversion der Antwort der Neurologen und Hirnforscher, die Hypnose untersuchen: Während der Trance leben wir in einer inneren Welt. Wir erschaffen sie mit unseren Gedanken, Gefühlen und Bildern. In ihr können wir Naturgesetze aufheben: die Zeit anhalten, in die Vergangenheit reisen, eine Zukunft gestalten. „Wir können in dieser Welt entscheiden, Verhaltensmuster zu ändern oder Schalter umzulegen“, sagt Sabine Kaltwasser. Auswirkungen bleiben bei einer erfolgreichen Hypnosetherapie in der äußeren Welt erhalten. Teilweise sind sie messbar: So können Blutdruck und Blutzuckerspiegel nachhaltig sinken.

Dass die innere Welt kein Hirngespinst ist, sondern real und wie sie mit der äußeren Welt in Wechselwirkung steht, machen auch bildgebende Verfahren wie die Computertomographie sichtbar: Der selbe Reiz, etwa Schmerz oder Stress, aktiviert im Wachzustand andere Gehirnareale als unter Hypnose. Auswertungen zeigen, dass wir in Trance Reize zwar wahrnehmen, allerdings nicht auf die im Wachzustand übliche Weise auf sie reagieren.

Sabine Kaltwassers Spezialisierung auf Hypnosetherapien hat sie ihrem Cousin zu verdanken: „Du hast doch einen Kurs gemacht. Probier´ bitte mal, ob ich damit mein Nägelkauen loswerden kann.“ Nach drei anderthalbstündigen Behandlungen war es geschafft. Seit mehr als zehn Jahren ist er die Angewohnheit los. Seither hat sie zahlreiche Fortbildungen absolviert und vielen Menschen geholfen: „Darunter Pateinten und Klienten, die nicht an Hypnose geglaubt haben.“ Ein Satz, den sie nicht selten zu hören bekommt lautet: „Es ist ein Wunder!“ Wie genau bewirken medizinische Hypnosetherapeuten es?

Es gibt unterschiedliche Techniken, doch einzelne Schritte sind genau festgelegt. Das Pendel, das viele mit Hypnose assoziieren, wird heutzutage nur selten eingesetzt. Sabine Kaltwasser erklärt Grundprinzipien: „Wichtig ist das Vorgepräch mit einer gründlichen Anamnese. Thema sind nicht nur aktuelle Beschwerden oder Angewohnheitn, die ich behandeln soll, sondern auch Vorlieben, Abneigungen, Erinnerungen, prägende Erlebnisse.“ Sie bestimmen maßgeblich die inneren Bilder, die die Therapeutin wachrufen will: „Ich muss zum Beispiel wissen, ob jemand eine Gräserallergie hat. Wenn ja, werde ich nicht das Bild der Blumenwiese anbieten."

Der Bahandlungsraum ist ruhig und freundlich mit Blick auf Grün. Patienten sitzen oder liegen nach Belieben. Einige lässt sie auf einem Ergometer radeln: „Diese sogenannte Aktiv-Wach-Hypnose hat sich als Alternative zur Entspannungshypnose bei Sportlern und Menschen mit Depressionen besonders bewährt.“

Dann beginnt eine Körperreise, vergleichbar mit progressiver Muskelentspannung oder bestimmten Meditationstechniken: „Ich lenke mit Worten die Aufmerksamkeit auf Körperregionen bis sich irgendwann die Augen schließen.“ Ist dieser erste Teil der Einleitung abgeschlossen, beginnt die eigentliche Einleitung der Trance. „Eine Möglichkeit ist, die Patienten im Geist eine Treppe hinab steigen zu lassen. Es gibt unterschiedliche Methoden.“ Welche sie einsetzt, sei eine Frage des Themas der Behandlung, der Erfahrung und der Menschenkenntnis. Im nächsten Schritt wird die Hpnose vertieft.

Studien legen nahe, dass nicht alle Menschen gleich gut hypnotisierbar sind: 20 Prozent sind demnach kaum suggestibel, 20 Prozent sehr schwer. 60 Prozent teilen sich das Mittelfeld. Die Umgebung, Erwartungen und die Tagesform des Klienten spielten dabei eine Rolle und vor allem: die Bereitschaft, sich auf Hypnose einzulassen. Wenn sich nach drei Behandlungen nichts verändert hat, schlägt Sabine Kaltwasser eine andere Therapieform vor. „In den fast 15 Jahren, in denen ich praktiziere, ist das kaum ein Duzend mal vorgekommen“, sagt sie. Jedoch sei es durchaus normal, dass in der ersten Stunde nichts oder wenig passiere: „Viele brauchen eine Weile, bis sie sich darauf einlassen, die äußere Welt zu verlassen. Nicht der Therapeut, sondern der Patient allein entscheidet, wann und ob er es will.“

Die willenlose Marionette, die auf Trigger reagiert, ist eine beliebte Figur in Thrillern – jedoch eine Fiktion: „Es ist unmöglich, jemanden zu zwingen, etwas gegen seinen eigenen Willen zu machen“, sagt Sabine Kaltwasser und Studien stimmen ihr zu. Sie belegen unter anderem: Unter Hypnose begehen nur Menschen Verbrechen, die auch im Wachzustand dazu bereit wären. Bislang gibt es keinen wissenschaftlich belegten Hinweis darauf, dass jemals ein Verbrechen wider Willen unter Hypnose verübt wurde. Hypnose, so die Ergebnisse mehrerer Studien, ist keine Manipulation – allerdings gibt es Hypnotiseure, die Manipulatoren sind und beides vermischen.

Show-Hypnotiseure zählen in der Regel dazu. Sie erkennen zielsicher Personen im Publikum, die besonders suggestibel, also leicht zu hypnotisieren sind. Show-Hypnotiseure bauen dazu sogenannte Convincer ein, Hypnose-Appetithäppchen:  Wer schluckt sie ohne lange zu zögern? Bei wem schließen sich bereits nach  ein paar suggestiven Worten die Augen und heben sich die Arme? Im Gegensatz zu Entertainern, haben sich Hypnosetherapeuten verpflichtet, Hypnose ausschließlich zum Wohl und im Interesse der Klienten oder Patienten einzusetzen.

Adressen findet man bei Berufsverbänden wie dem Deutschen Verband für Hypnose e.V., bei dem Sabine Kaltwasser Mitglied ist. Weitere Verbände sind unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnosetherapie e.V. und die Milton H. Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose. Benannt ist sie nach dem 1980 verstorbenen amerikanischen Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten. Er hat die moderne Hypnose und Hypnotherapie geprägt und ihren Einsatz in der Psychotherapie gefördert. Mit seinen Studien und Therapieansätzen hat er den Bann aufgehoben, den Sigmund Freud, ein strikter Gegner der Hypnose, zu Beginn des 20sten Jahrhunderts über sie verhängt hatte.

Die Geschichte der Hypnose als Heilmittel reicht mehr als 4000 Jahre zurück: Keilschriften der Sumerer beschreiben, wie Heiler Trancezustände herbeiführen und einsetzen. Als Urvater der modernen medizinischen Hypnose gilt der 1860 verstorbene schottische Chirurg James Baird: Er beobachtete bei einem Hausbesuch, wie einer seiner Schmerzpatienten die Flamme der Kerze neben dem Bett anstarrte und offenbar keine Beschwerden spürte.

James Baird experimentierte mit dem Phänomen und setze es als Narkose und Therapie ein. Er nannte es  Neurypnologie. Daraus entwickelte sich das Kürzel Hypnologie und später Hypnotismus, die Wissenschaft der Hypnose. Hypnos, der griechische Gott des Schlafs, der sich in den Begriffen verbirgt, führt jedoch auf eine falsche Fährte: Baird selbst und nach ihm Neurologen und Hirnforscher haben Trance und Schlaf als unterschiedliche Bewusstseinszustände identifiziert.

Gut ein Jahrhundert vor Baird spielte der Deutsche Mediziner Franz Anton Mesmer mit der Trance als Heilmittel. Er inszenierte sie als Bühnenshow. Wie ein Zauberer schwang er einen Metallstab über seine Patienten. Sie saßen um ein Fass mit magnetisiertem Wasser und pressten Metallstäbe gegen ihren Körper. Das Licht war gedämpft, die Luft schwer von Weihrauch und erfüllt von Sphärenklängen einer Glasharmonika. Ein Zucken der Hand Mesmers löste Schreie, Lachanfälle und Zuckungen aus, die er „heilsame, reinigende Krisen“ nannte. Bis heute findet die mystische Stiefschwester der medizinischen Hypnose vereinzelt Anhänger.

Sabine Kaltwasser sagt: „Bei der Wahl eines Behandlers rate ich unbedingt zum Weg über die großen Verbände. Deren Mitglieder sind Hypnotherapeuten mit einer Heilerlaubnis“. Hypnotiseur kann sich dagegen jeder nennen, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Jeder hypnotisierbare Mensch kann Techniken für eine Selbsthypnose lernen, um Ängste zu reduzieren, Schmerz und Stress besser zu bewältigen oder Verhalten zu ändern. „Bei Bedarf erhalten meine Patienten und Klienten eine Anleitung“, sagt Sabine Kaltwasser. 

Neben Fremd- und Selbsthypnose, kann auch Fernhypnose Wirkung zeigen. Seit dem Lockdown werden vermehrt Online-Behandlungen angeboten. Auch bei Sabine Kaltwasser kann man sie buchen. Ob virtuell oder vor Ort: Menschen mit ausgeprägt niedrigem Blutdruck behandelt sie nicht, weil Kreislaufprobleme auftreten können. Auch für Patienten in einer psychotischen Phase ist die Therapie ungeeignet: Sie kann die bestehende Psychose verstärken. 

Die Vermutung, dass Sabine Kaltwasser sich selbst behandeln kann und darum ein Leben ohne Krisen, Ängste, Beschwerden und ungesunde oder lästige Angewohnheiten führt, kann sie nicht bestätigen: „Ich bin nur sehr schwer hypnotisierbar. Mich in tiefe Trance zu versetzen, schaffen nur wenige Kollgegen. Mir selbst ist es bisher noch nie gelungen, leider. Mein Rat an alle, denen es genauso geht, lautet,  geben Sie sich Zeit, probieren Sie es weiter.“

 

Adressen und weitere Informationen

Was kann Hypnose? Wie wirkt Hypnose? Woran erkenne ich seriöse Hypnose? Wie finde ich qualifizierte Therapeuten? Diese und weitere Fragen beantworten die drei wissenschaftlich fundierten deutschsprachigen Hypnosegesellschaften auf ihrer gemeinsamen Plattform hypnose.de 

Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (MEG) e.V.

Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH) e.V.
Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH) e.V.
Auf ihren Seiten bieten sie Weiterbildungen für Fachleute, Informationen, auch für Laien, und Adressen von Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und Therapeuten, die Hypnose anwenden.

Addressen und Informationen finden sich auch beim Deutschen Verband für Hypnose (DVH) e.V.. Er hat rund 800 Mitglieder, qualifiziert ausgebildete Therapeuten, die sich unter anderem verpflichten, nach einem fundierten Ethik-Kodex zu arbeiten.

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